Die Maßnahmen gegen Migrant*innen und Geflüchtete in der Türkei haben aus der Sicht des internationalen Rechts ein inakzeptables Ausmaß erreicht. Diese von den staatlichen Institutionen betriebenen Politiken verletzen nicht nur die Menschenrechte, sondern setzen Migrant*innen auch Repression, Gewalt und Versuchen der Anwerbung als Informant*innen aus.
Nanaxanim Babazade (Nana), Masterstudentin im Fach Anthropologie an der Universität Istanbul sowie Frauen- und Tierrechtsaktivistin, ist eine der Betroffenen dieser Politik. Am 21. August wurde sie festgenommen, weil sie an einem friedlichen Protest gegen die Erhöhung der Mensapreise teilgenommen hatte. Anschließend wurde sie in das Abschiebezentrum Çatalca İnceğiz gebracht. Obwohl es keinerlei strafrechtliche Ermittlungen gegen sie gibt, wird sie mit Abschiebung bedroht.
Nach Angaben ihrer Anwält*innen wurde Babazade kurz vor der Festnahme von der Migrationsbehörde zu einem Gespräch geladen. Dort hätten Sicherheits- und Geheimdienstbeamte ihr angeboten, als Informantin zu arbeiten. Nachdem sie dies abgelehnt hatte, wurde sie festgenommen, in das Abschiebezentrum überführt und nun droht ihr die Abschiebung.
Dieser Vorfall ist kein Zufall. In der Türkei sind die Abschiebezentren nicht nur Orte, an denen Migrant*innen inhaftiert werden, sondern sie sind auch zu Instrumenten der staatlichen Anwerbungspolitik geworden. Unter Druck, körperlicher Gewalt und psychischer Folter werden Migrant*innen gezwungen, als Informant*innen zu arbeiten; lehnen sie ab, droht man ihnen mit Abschiebung. Die Erfahrungen von Babazade sind ein konkretes Beispiel für diese schmutzige Praxis.
In der Türkei gibt es 32 Abschiebezentren. Wie auch in Berichten internationaler Organisationen dokumentiert, sind diese Orte Schauplätze systematischer Menschenrechtsverletzungen. Das Fehlen von Gesundheits- und Hygienebedingungen, der eingeschränkte Zugang zu Informationen und Anwält*innen, Gewalt, erniedrigende Leibesvisitationen sowie Selbstmorde, die bis zum Tod führen, zeigen, dass es sich bei diesen Zentren nicht um „administrative Haft“ handelt, sondern um eine Art Folter- und Vernichtungsmechanismus.
Die Türkei hält dank Rücknahmeabkommen mit der Europäischen Union Millionen Geflüchtete im Land fest und übernimmt die Rolle des „Grenzwächters Europas“. Die Kosten dieser Politik tragen die Migrant*innen mit unmenschlichen Bedingungen, willkürlichen Inhaftierungen, Abschiebungsdrohungen und Zwang zur Kollaboration. Die Europäische Union macht sich durch diese Zusammenarbeit nicht nur mitschuldig an den Menschenrechtsverletzungen eines autoritären und faschistischen Regimes, sondern trägt auch dazu bei, dass migrationsfeindliche Politiken weltweit normalisiert werden.
Wir fordern:
• Die Europäische Union muss die Rücknahmeabkommen mit der Türkei auflösen und aufhören, Migrant*innen zum Verhandlungsgegenstand zu machen.
Migrant*innen sind keine Feinde; sie sind Opfer von Kriegen, unterdrückerischen Regimen und Ausbeutung. Das Schicksal von Nanaxanim Babazade ist nicht nur das einer einzelnen Studentin, sondern Ausdruck der Bedrohung, der geflüchtete Frauen, kämpfende Jugendliche und alle Unterdrückten ausgesetzt sind.
Nana ist nicht allein!
Unterzeichnende Organisationen:
YDG – Neue Demokratische Jugend
ATİK – Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Europa
Yeni Kadın (Neue Frau)
UPOTUDAK – Komitee zur Solidarität mit internationalen politischen Gefangenen
People’s Bridge
SemraFAM
SYM – Socialist Youth Movement
Copwatchffm
TSP – Prisoners Voice Platform
Justice For Biriq
BİR KAR
Students for Palestine Mainz
Internationalstisches Zentrum Frankfurt
Oberschwaben for Palestine